Gestern hat mir meine Schwester die Frage gestellt, ob unser Gefühl von Sicherheit von den Erfahrungen unserer Eltern beeinflusst wird?
Diese Frage hat mich auch im Nachinein noch sehr beschäftigt. Denn eine sehr gute Freundin von mir hat gerade frisch ein Kind bekommen, wir sehen uns häufiger, ich sehe dieses zarte Wesen wachsen, sehe, wie sehr sie sich bemüht, eine 'gute' Mutter zu sein und ihrem Kind nur das Beste zu geben.
Ich habe mich gefragt, inwiefern können wir das Schicksal unserer Kinder, anderer Kinder beeinflussen? Inwiefern können wir sie vor Erfahrungen bewahren, die sie später beeinträchtigen werden? Wie können wir sie vor schmerzhaften Gefühlen schützen, wenn wir doch manchmal garnicht wissen, was sie fühlen, wie sie denken oder was sie brauchen? Und, macht es überhaupt Sinn, Kinder vor den angenehmen und unangenehmen Gefühlen des Lebens zu schützen?
Da ich mich momentan in meinen Therapiestunden sehr mit meinen ganz frühen bis hin zu vorgeburtlichen Erinnerungen, Erfahrungen, Empfindungen und Wahrnehmungen auseinandersetze und diese (mehr oder weniger erfolgreich) fühle, frage ich mich: Hätte man mir das ersparen können? Hätten meine Eltern anders handeln müssen/können, damit ich jetzt nicht auf dem Therapie-Stuhl sitze und lerne, mit diesen oft sehr unangenehmen und herausfordernenden Gefühlen umzugehen?
Immer wieder hätte ich gerne meine Eltern beschuldigt und sie dafür verantwortlich gemacht, womit ich jetzt struggle und was mir im Weg steht. Aber ist es wirklich so einfach?
Als ich dann gestern mit meiner Freundin und ihrem Neugeborenen zusammen saß und wir uns unterhalten habe, dachte ich mir: Nein.... so einfach ist das nicht.
Ich sehe sie ihr Bestes geben und ich denke mir, trotzdem könnte es sein, dass er Dinge fühlt, die wir ihm nicht abnehmen können. Wenn ich ihn auf meinen Armen habe, wünsche ich mir immer, seine Gedanken lesen zu können, damit ich ihm jeglichsten Schmerz ersparen könnte...
Und irgendwie wusste ich im gleichen Moment. Nein, Becci, das wird nicht funktionieren. Egal, wie sehr du versucht, dieses kleine wunderbare Wesen vor schmerzhaften Erfahrungen zu schützen, es wird passieren. Und es liegt an so vielen verschiedenen Faktoren, wie sich das auf ihn auswirkt.
Seine Resilienz, sein Umfeld, seine Persönlichkeit, seine Art mit Dingen umzugehen und so weiter und so fort.
Und das hat mich auch daran erinnert, der Realität ins Auge zu blicken.
Ja, es ist wichtig, sich mit seinem eigenen Gefühlshaushalt auseinander zu setzen. Ja, es ist wichtig, verschiedene Denkstrukturen und Verhaltensmuster zu hinterfragen.
Ja, es ist wichtig, sich mit seiner eigenen Geschichte und Vergangenheit auseinanderzusetzen, um sich in manchen Situationen oder Lebenslagen besser zu verstehen oder alten Schmerz nicht weiter zu geben.
Aber, der Sinn dieses Lebens hier auf der Erde ist es, Schmerz zu erfahren, Gefühle zu fühlen und Erfahrungen zu sammeln. Wenn wir das verstanden haben, dann müssen wir nicht mehr so Angst vor der Wucht des Lebens haben, vor den Stürmen, die uns manchmal umhauen, vor den Sorgen, die uns manchmal auffressen..
Denn: wir haben uns das hier alles ausgesucht! Also ist es unsere Entscheidung, ob wir das Leben hier als Spiel und Erfahrungsfeld sehen, oder uns krampfhaft damit beschäftigen, Schmerz und Leid, zu vermeiden, und damit die Farbpalette unseres Lebens gehörig einschränken. Denn eines ist ganz klar: Löschen wir unangenehme Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Scham aus unserem Gefühlssprektrum, dann nehmen wir uns auch die Möglichkeit, echte Freude, Liebe und Frieden zu fühlen.
Und so weiß ich jetzt, dass ich dem kleinen wunderbaren Kind keine Traurigkeit ersparen kann, das vielleicht auch nicht mein Ziel sein sollte, sondern eher als Beispiel vorangehen, selbst mehr Sicherheit zu erlangen, wie ich durch meine manchmal so krass intensiven und überfordernend Emotionen durchnavigiere und ihm somit vorlebe, 'Hey, alle Gefühle sind willkommen. Sie bringen uns nicht um..' .
Anstatt dem kleinen Wesen Wut zu ersparen, möchte ich ihm meine Hand reichen und sagen: 'Wir gehen da zusammen durch, ich unterstütze dich, all das zu fühlen, was du eben zu fühlen hast. I am with you.'
Also, willst du farbig leben oder grau vor dich hinvegetieren?
Hast du den Mut, die gesamte Gefühlsvielfalt und Erfahrungsangebot zu explorieren? Und willst du damit ein Vorreiter sein, eine Unterstützerin, für all die, die nach dir kommen, die neben dir laufen, und ihnen durch deinen eigenen Mut die Angst nehmen, dasselbe zu tun.
Ich bin gerade dabei, und ich wünsche dir sehr, dass auch du jeden Tag etwas mehr die Angst vor dem Leben uns seinen Ups & Downs verlierst.
Let's do this together <3
With love,
deine Becci
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